Das hier soll keine Vollrezi zum Konsum liefern, sondern ich will mit meinen Bewertungen etwas Diskussion anregen. Akute PR-Leser: Bitte, bitte, hier und im Vorgänger keinen leeren Thread lassen! Wer soll sonst neu zu unserem Forum dazustoßen?
Ich denke, so, wie ich meine Kommentare geschrieben habe, sind kaum Spoiler drin.
In Sachen Bewertung beschränke ich mich wieder radikal auf die Ausweisung der echten Spitzenromane mit Doppeplus.
2616 – Countdown für Sol (Thurner) (++)
2617 – Der Dunkelste aller Tage (Haensel) (++)
Glänzende Fortsetzungen von 2607 (Der Fimbul-Impuls). Zu den bestechenden Einblicken in die Aktivität der Spenta kommt die bestechende Schilderung ihres „Agenten“ Korbinian Boko hinzu.
2618 – Flucht von der Brückenwelt (Themsen)
Themsens Fortsetzung dieser Handlungsebene erinnert mehr an Haensels Vorgänger als an ihren eigenen – Handlungsfortschritt ohne besonderes Flair.
2619 – Planet der Formatierer (Vandemaan) (++)
Ein neuer Triumph Vandemaans. Traumhafte Welt, traumhafte Figuren, traumhafte Stimmung.
2620 – Fremde in der Harmonie (Montillon)
2621 – Der Harmoniewächter (Montillon)
2622 – Die Rebellen von Escalian (Anton)
Alaska lahmt. Von der Hoffnung auf eine faszinierende Kultur der Maskenträger ist nichts übriggeblieben. Alles bleibt in banalen Bahnen stecken, auch wenn die Thematisierung des Harmonieprinzips und die Hinweise auf die dahinter stehende Superintelligenz etwas Interesse wecken können. Große Zusammenhänge, aber es steckt keine Tiefe drin.
Bisher wurde die Alaska-Ebene immer zum guten Teil davon getragen, dass sie durchweg Schauplätze von sehr exotischem Flair hatte. Hier ist überhaupt kein solcher vorhanden, und prompt wird es sterbensöde. (OK, im letzten Alaska-Block hatten wir noch so einen Schauplatz, und Band 2-4 waren trotzdem eher öde. Muss man es also dem Fehlen von Alaska-Autor Marc Herren zuschrei-ben?)
2623 – Die Zweite Anomalie (Anton)
Vierter Teil des Alaska-Blocks. Jetzt immerhin können die Enthüllungen den Roman tragen, wo es an spannender Erzählung fehlt. Ein Mindestmaß an fantastischem Flair kommt damit auch endlich auf. Mit Heft Nr.23 wird bereits ein Kernaspekt des Zyklus aufgeklärt - beachtlich.
2624 – Todesfalle Sektor Null (Ellmer)
2625 – Das Plejaden-Attentat (Haensel)
Der Milchstraßen-Viererblock. Für einen Schauplatz, von dem man (ich) an dieser Stelle eigentlich gar nichts wissen will, wird es ganz achtbar gehandhabt. Stellenweise gar große Klasse. Bostich macht sich als konstruktiver Mitspieler, aber bleibt doch noch undurch-schaubar… Tekeners Seelenpanzer bekommt Risse. (Das versucht neuerdings wohl jeder Tekener-Autor, aber letztes Mal hat das weniger überzeugt.)
2626 – Suche im Sektor Null (Thurner) (++)
2627 – Die letzten Tage der Gemma Frisius (Thurner) (++)
Thurners Kippeln zwischen schwachen und starken Romanen schlägt wieder zur positiven, geradezu beschwingten Seite aus. Und die Zyklushandlung macht einen überraschenden Schritt voran ins Konkrete.
Alles hier ist großartig. Das Schicksal der Besatzung, die Charakterisierung der Besatzung, die Entwicklung zwischen Tekener und Dorksteiger…
2628 – Der Verzweifelte Widerstand (Montillon)
Wieder mit Perry im Machtgebiet Quin Shis.
Oh je. Ein neuer Montillon, und ein neues Erlebnis in schwerfälligem, unbeholfenem Erzählen, das einfach nie rechte Freude aufkommen lassen will. Ein wenig Kompensation gibt es dadurch, dass wirklich wichtiges enthüllt wird. Der Inhalt trägt die Spannung. (Und damit beginnen die Handlungsebenen ernstlich ineinanderzugreifen.)
Gut , zwischendurch gelingen Montillon dann auch mal einige gelungene Momente.
2629 – Die Weltengeissel (Montillon)
2630 – Im Zeichen der Aggression (Herren)
2631 – Die Stunde der Blender (Herren/Montillon)
…geht wahrscheinlich genau so weiter.
Gelesen: Nö!
Überraschung - Montillon glänzt geradezu (!) in einigen Anfangspassagen, in denen er höchst wacker gleich zwei außerirdische Spezies lebendig werden lässt. Ehre, wann Ehre gebührt.
Eine großenteils gescheiterte Rettungsmission, der Horroreinsatz der Weltengeißel (die nur ein wenig zu sehr an den Todesstern über Alderaan erinnert) – das geht so! Aber noch kein Doppelplus. Nicht übermütig werden!
Teil 2 dieses „Dreierblocks“ Herren-Montillon zeigt erstmal dieselben Qualitäten wie der erste: (jaja, eigentlich mit 2628 ein Viererblock)
Herren legt einige beachtliche farbig-fremdartige Szenen aus dem Leben der Dosanthi hin.
Insgesamt gesehen hat der Roman (und der folgende) alle nur erdenklichen Züge, die mich nicht reizen. Dafür ist den beiden die Geschichte noch ziemlich gut gelungen. Die Biografie, quasi der Entwicklungsroman, des Dosanthi Tokun Gavang ist im Prinzip ein Schreckensbild alter PR-Routine, und hat denselben Grundmangel wie seit jeher: sie ist in etlichen Zügen von menschlichen Maßstäben psychologischer Entwicklung bestimmt, was zwecks Verständlichkeit auch nur so gemacht werden kann, aber bei Außerirdischen einfach absurd unprobabel ist. Was bei Sichu Dorksteiger grundsätzlich geht, geht bei einem Dosanthi eben grundsätzlich nicht.
Aber verschont werden wir davon dennoch nie werden, und gemessen am Grundproblem muss man sagen: Herren geht der Roman doch so gut von der Hand, dass man ihn verkraften, fast sogar genießen kann.
Nur der paranoide Verfolgungswille des Xylthenkommandanten Vetela wirkt von Anfang an entsetzlich unbeholfen aufgesetzt. Wenn ich als Vorgesetzter jemanden als Verräter verdächtige, und weiß, dass ich ihn nicht drankriegen kann, dann zitiere ich ihn doch nicht extra zu mir, um ihm meine Hilflosigkeit vorzuführen! Selbst wenn Vetela sich Hoffnungen machte, dass Tokun Gavang, zur Rede gestellt, unter dem Druck zerbrechen würde, waren das immer noch hoffnungslos missratene Szenen.
Teil 3 ist dann der zweite Einsatz der Weltengeißel, und in alldem konnte ich mich dem Gefühl der ziemlichen Überflüssigkeit dieser beiden Romane einfach nicht entziehen. Dasselbe nochmal von vorn, leicht gesteigert, damit die Schwächung Quin Shis, die Rekrutierung neuer Widerstandskräfte und die Diskreditierung Kaowens auf die Spitze getrieben werden können. Seufz…
Und das „große Finale“, das Vetela da hinlegt, ist der passend verkorkste Abschluss eines ganzen verkorksten Handlungsstrangs.
Trotzdem kann man diesen drei Romanen Qualitäten zugestehen.
Und Kaowen wird zum Rapport bei QIN SHI bestellt.
In diesem Zyklus kommt mal erstaunlich schnell Butter bei die Fische. Das lässt die Erwartung aufkeimen, dass einige zentrale Stichworte bereits bis 2650 abgehandelt werden, und dann neue, jetzt noch gar nicht absehbare Weiterungen hinzukommen.
Das folgende gehört eigentlich in die nächste Lieferung, aber ich hab keine Lust, die Klappe zu halten bis wieder 15 Romane beisammen sind.
2632 – Vandemaan – Die Nacht der Regenriesen
Ein Vandemaan, der wieder mal nur in der Anfangsphase ein „richtiger“ Vandemaan ist, aber auch in den übrigen Kapiteln zu glänzen weiß. Beischlafs Nachtsohn ist eine großartige Figur. DayScha und Geronimo machen sich auch gut. Zwar kein ganzer, "richtiger" Cheborparner-Roman aber immerhin: Vandemaan nimmt sich die Cheborparner vor. Ein Traum ist wahr geworden.
Und ich mag Homer G.Adams’ „Society of Absent Friends“. Für mich muss es nicht immer in jeder Hinsicht realistisch-probabel sein. Episoden mit einer gewissen genrehaften Stilisierung von Figuren und Handlung können mir mindestens ebenso gefallen.
Dass Adams sich sein eigenes Süppchen gekocht hat, um eine Absicherung gegen Infiltration zu haben, ist an sich schon probabel, und dass das alles leicht exzentrische, verschrobene Züge hat, macht mir viel Spaß. Solche guten Ro-mane haben für mich den gleichen Reiz, wie schlechte Kneifel-Romane für mich hatten, als ich noch zu jung war um mich an ihren Mängeln zu stören. Zurück in die schönsten PR-Jugendzeiten, und es funktioniert!
Leider habe ich keine Hoffnung, dass Kneifel selbst demnächst ähnlichen Reiz entfalten wird.
Fast, aber nur fast, ein doppelplus.
2633 - Haensel – Der Tellurische Krieg
2634 - Haensel – Terras neue Herren
Haensel gelingt es, die Stimmung Vandemaans aus dem Vorroman gut fortzuführen, und stark die Spannung um die Attacke der Galeonenschiffe aufzubauen…
…aber nur ein Heft lang. Die erste Hälfte von „Terras Neue Herren“ gerät ihm entsetzlich zäh und geschwätzig. Als wüsste er gar nichts mit dem Exposé anzufangen.
Bis es zur persönlichen Konfrontation der neuen Herren mit den Terranern kommt. Die teilweise Verständnisunfähigkeit der Besetzer, ihre bizarre Denkweise von wegen „warum versteht ihr denn nicht, dass wir gut für euch sind?“, die ganz unabsichtliche grenzenlose Arroganz – und die teils brillianten Reaktionen der Terraner darauf. Klasse!
Solche feinen Komplexitäten in der Motivation der Feinde Terras hatten wir lange nicht mehr. Damit hatten wir hier bis auf einen dicken Durchhänger in der Mitte einen schönen Doppelroman, der mir wieder mal bestätigt hat, dass die Handlungsebene Solsystem-und-Ableger gerade meine einzige wirkliche Freude ist.
Übrigens:
Der Galaktische Beobachter Rainer Stache weiß in seinen Kommentaren in der SOL weit mehr positive Qualitäten in den aktuellen Romanen zu entdecken als ich. Zumeist kann ich ihm da auch kaum widersprechen - wenngleich in meinen Augen diese Qualitäten in mehreren Romanen eher Randerscheinungen sind, die einen schlechten Gesamteindruck nicht übertönen können. Seine positive Betrachtung des vorletzten Alaska-Blocks 2609-11 hat mich besonders überrascht. Es bleibe aber vermerkt: Ich sehe auch nicht immer alles Gute.