Die Welt ist schlecht 1




Die Welt ist schlecht 1

Beitragvon Al Khidr » 04.09.2006, 02:24

Yo!

Anscheinend hat im Club kaum jemand bemerkt, dass ich unmittelbar vor meinem Verschwinden hinter dem Ereignishorizont fremd gegangen bin, und für das Shayol-Jahrbuch der SF 2004 den Rückblick auf BAD EARTH verfasst habe.
Eigentlich hatte ich seinerzeit vorgehabt, mich mit den Bad-Earth-Spezis hier im Forum kurzzuschließen (wie es sich gehört), ob ihr meine Auffassungen teilt, oder irgendetwas hinzufügenswert findet. Das ist in die Hose gegangen, weil ich es schließlich gerade noch ums Haar schaffte, den Artikel überhaupt fristgerecht zum Einsendeschluss abzuliefern. Bild Dann hat mein Absturz in die Versenkung verhindert, dass wir anschließend noch hätten darüber diskutieren können. Nun bin ich kaum wieder da, da ist auf einmal mein Artikel wieder aktuell, weil Bully gerade im WoC die neuen BE-Bücher rezensiert!
Also stell ich ihn einfach noch mal hier rein; vielleicht mögt ihr Ex-BE-Leser euch ja noch mal drüber auslassen.


Die Welt ist schlecht.

BAD EARTH - eine Bilanz

Sie lesen den Author’s Cut - die bisher nie erschienene unredigierte Fassung des Artikels, mit der legendären, viel missverstandenen Susan-Schwartz-Passage erstmals in der unverfälschten Originalform! Außerdem mit der unterschlagenen, vom Zensor verbotenen Messerschmidt-Passage!


Wir befinden uns im Jahr 2003. Die ganze deutsche Space-Opera ist von der Perry-Rhodan-Serie beherrscht. Die ganze? Nein! Eine kleine, von unbeugsamen Bastei-Autoren bevölkerte Serie schickt sich an, dem Imperium Widerstand zu leisten.


Wegen des Posting-Längenlimits geht es weiter mit dem zweiten Teil hier als Antwortposting:
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Al Khidr
 
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Re: Die Welt ist schlecht 1

Beitragvon Al Khidr » 04.09.2006, 02:29

BE Teil 2

BAD EARTH - eine deutsche Heftroman-Space-Opera. Die erste Konkurrenz zu Perry Rhodan auf dem offenen Markt seit Menschengedenken. Ein wahrhaft mutiger Schritt. Und mit dem Auftaktheft wusste Manfred Weinland Furore zu machen - ein exzellent ausgeführtes großes Szenario, das sich neben gängigen Space-Operas durchaus behaupten konnte. Der Fortgang spaltete schnell die Leserschaft. Ein Teil sah sich schon nach Heft 2 von Conrad Shepherd oder nach dem folgenden Doppelroman von Michael Marcus Thurner veranlasst, der Serie gleich wieder den Rücken zu kehren (wohl doch ein hypertrophes Anspruchsdenken für eine Heftserie, die ihren Autoren ca. halb so viel zahlt wie "Perry Rhodan"). Eine substanzielle Leserschaft hingegen verteidigte bis zum Ende die Ansicht, dass Bad Earth dem PR-Durchschnitt ebenbürtig sei, und seinen eigenen, größeren Reiz habe.
Mit BAD EARTH legte Weinland ein zur Zeit einzigartiges Beispiel für Space-Opera-Konzeption im Heftroman außerhalb von PR vor. Die große Geste, die ambitionierten Handlungsbögen, wurden allen Anforderungen gerecht. Tatsächlich wurden sie den Anforderungen zu sehr gerecht, wie sich schließlich zeigen sollte.

Synopsis

Im Jahr 2041 befindet sich das irdische Raumschiff RUBIKON auf dem Weg zum Mars. Seine Mission: die Aufklärung des Schicksals der ersten Marsexpedition der Menschheit, die zwei Jahrzehnte zuvor scheiterte. Doch noch während des Fluges wird das gesamte Sonnensystem von einem verheerenden Phänomen heimgesucht. Der gesamte menschliche Lebensraum wird in eine undurchdringliche schwärze getaucht, die jegliche Energieerzeugung ausfallen lässt. Auf der Erde kommt es zu apokalyptischen Szenen. zugleich verwandelt sich der Planet Jupiter in ein schwarzes Loch - das als Raum-Zeit-Wurmloch funktioniert, und aus dem heraus eine fremde Invasionsflotte Kurs auf die Erde nimmt! Die Besatzung der RUBIKON, ein gemischtes Team aus normalgeborenen und geklonten Menschen, wird von einem der Invasionsschiffe aufgegriffen, kann jedoch das fremde Schiff kapern und von seinem Kurs abbringen. Das Schiff fliegt wieder in das Jupiter-Wurmloch hinein. Commander John Cloud und die GenTec-Klone Scobee, Resnick und Jarvis werden an einen unbekannten Ort in Raum und Zeit verschlagen, fern des Sonnensystems - und finden sich mitten in einer Raumschlacht wieder. Eines der kolossalen Kriegsschiffe wird unter Nahbeobachtung genommen - auf seiner Hülle prangt der irdische Name PEKING!
Die irdischen Astronauten befinden sich in einer fernen Zukunft, in der die Erde mit ihren tödlichen Kriegsflotten die Geißel der Galaxis ist, bei zahllosen Alien-Völkern als "Erinjij" verhasst und gefürchtet. John Cloud & Co. erleben eine Odyssee durch von der Erde verheerte Kriegsschauplätze und gefährliche Zufluchtsorte, während sich bei der Alien-Allianz CLARON kritische politische Entwicklungen abspielen.

Die Anfangsphase der Serie wusste neben dem eindrucksvoll aufgezogenen Szenario und den geschickt gesetzten Rätseln auch durch die elegante Erzählform von ineinander verschränkten Ebenen zu überzeugen - synchrone Handlung zwischen durch 200 Jahre getrennten Schauplätzen.
Die eine zeitlang recht bestechende Handlungsführung begann mit zunehmendem Einblick in die galaktischen Verhältnisse jedoch zu leiden. Der Leser erlebte das von anderen Serien bekannte Muster eines spannenden Aufbaus, der alle Möglichkeiten eines komplexen Bildes offenläßt, um dann in eine platte Auflösung durch Schurkenklischees zu münden. Die BE-Protagonisten in Gestalt von Völkern und Mächten ließen durchweg an differenzierter Charakterisierung schwer zu wünschen übrig. Wer zunächst eine ungewisse Situation sah, und seine Hoffnungen genährt sah, ein komplexes Bild von Handlungsmotiven zu entdecken, fand sich am Ende doch nur in sehr groben Bösewicht-Schemata wider. Und sehr eintönig denselben.
Letztlich ist zu konstatieren, dass die Serie sich selbst verlor, als von Heft 20 bis 30 das titelgebende Motto "Bad Earth" in jeder Hinsicht demontiert wurde. Das verbrecherische Menschenimperium erwiesen sich als eigentlich gar keines, sondern das blinde Instrument von verbrecherischen Aliens; die Menschen unter ihnen sind zur einen Hälfte konditionierte Klone ohne eigene Entscheidungen, die andere Hälfte ahnungslose Insassen eines Paradieses ohne Kontakt zur Außenwelt. Dies erzeugte einiges an Spannungsmomenten und Thriller-Kitzel, aber das Ergebnis lautete: die Menschen der "Bösen Erde" sind weder eigenverantwortlich verbrecherisch, noch haben sie irgendwie zu leiden. Und das Gesamtbild?
Hier eine Spezies skrupelloser, manipulativer Aliens, die Kerlons, die die Menschen versklavt und als Werkzeug benutzt.
Da eine Spezies skrupelloser, manipulativer Aliens, die Foronen, die ihre eigenen Sklavenvölker unterwerfen und grausam missbrauchen.
Dort eine Allianz "guter" Aliens, CLARON, die von ihrer Nemesis, den skrupellosen anorganischen Völkern (Jay'nac), unterworfen, manipuliert und missbraucht werden.
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Re: Die Welt ist schlecht 1

Beitragvon Al Khidr » 04.09.2006, 02:30

BE Teil 3

Ab Heft 29 vollzog Weinland eine abrupte Wende, mit der die Handlung praktisch vollständig in die Milchstraße und die Magellanischen Wolken abdriftete. So gewann er seinen Helden wieder das pure kosmische Abenteuer anstelle von Fußgänger-Widerstandskampf, aber die "Bad Earth" wurde nun nicht nur demontiert sondern gleich ganz zurückgelassen, und der Handlungsfokus der Serie zerfaserte. Nur scheinbar, wie sich im Nachhinein erwies - aber der Leser musste sich fragen, "warum geht es jetzt auf einmal dahin, und will ich auch dorthin?" Wenn ein zwischenzeitlicher Band zur Bösen Erde zurückkehrte, nur um dort die Erlebnisse der überflüssigsten, uninteressantesten und farblosesten Nebenfigur der Serie, Ex-US-Präsidentin Sarah Cuthbert, am misslungensten Schauplatz der Serie, dem Pekinger Ghetto, zu erzählen, konnte dies auch die letzten Leser zur mindestens zeitweisen Aufgabe treiben.

Nachdem die Einstellung der Serie bereits verkündet war, verwirrte Weinland auch noch durch unnütze und planlos wirkende Abstecher, ehe er mit den Heften 41-45 einen furiosen, erfreulichen Schlußspurt lieferte, der den unverbunden nebeneinander stehenden Handlungszweigen einen gemeinsamen Hintergrund gab. Nun war ein zweites Mal im Lauf der 45 Hefte zu konstatieren, dass ärgerlich unverständliche Dinge im Nachhinein einen schlüssigen Sinn in einer großen Konzeption gewannen. Ein Grund, Weinland für vorherige Kritik Abbitte zu leisten, ist dies kaum. Die Leser von "Perry Rhodan" mögen es gewohnt sein, dass in einem laufenden Zyklus erst in den 70er-Heften die Hintergründe aufklaren und die Handlungsfäden zusammenlaufen. Für einen kleinen Neuling mit langsamem, zweiwöchigem Erscheinungstempo ist es fatal, wenn die überambitionierte Großkonzeption dazu führt, dass man immer wieder den Eindruck von sinnlosen Füllromanen, unnütz aufgeblähten Schauplätzen und unmotivierten Sprüngen der Handlungsführung hat. Die Realzeit bis zu den Aufklärungen in Band 42 entspricht 84 Heften PR.
Mit Heft 44 wurde die längst überspannte Komplexität durch gleich noch eine Ebene gesteigert, indem sympathische Nebenfiguren aus einem Abenteuer sich plötzlich als maßgebliche Spieler des strategischen 5-D-Schachspiels "Bad Earth" erwiesen - noch während alle Handlungsfäden von viel zu weit her zusammengeholt wurden. Man erfuhr nun, dass buchstäblich nichts Zufall oder Improvisation, sondern alles Weinlands großes Konzept war. Viel Unbefriedigendes im Schlußspurt erklärt sich daraus, dass die Handlung von Heft 42-45 ursprünglich auf Heft 50-100 hätte verteilt werden sollen. Diese breitere Verteilung hätte das Grundproblem von BE allerdings nicht gelöst, und das Motiv der großen Verschwörung im Hintergrund, der Enthüllung, dass alles ganz anders ist, als es schien, wirkt nur entnervend. Wenn alles ganz anders ist, was habe ich dann gelesen, und wozu?
Über die BAD-EARTH-Fortsetzung außerhalb von Bastei (siehe unten) verrät Weinland, dass es nun - einst für Heft 50 plus eingeplant - um den Ursprung des Universums geht. Irgendwann während der ursprünglichen Konzeption von BAD EARTH kam der Zeitpunkt, an dem Weinland eine ausgiebige kalte Dusche hätte nehmen sollen. Er hat ihn versäumt.

Hier und in anderen Problemen zeigt sich die Situation, dass BAD EARTH vollständig das persönliche Kind Manfred Weinlands ist, das dieser im Alleingang entwickelt und dem Bastei-Verlag angetragen hatte, wo er dann auch noch weitgehend als sein eigener Lektor tätig war.

Harte Schale, weicher Kern

Parallel zu diesen Space Opera-Entwicklungen zeigte Weinland einigen Enthusiasmus dafür, sich in großen Hard-SF-Motiven auszutoben. Allerdings mit der unglücklichen Neigung, zwar Hard SF zu erfinden, sie dann aber nicht zu schreiben. Kaum waren die etwas trägen Hefte Nr. 2-4 absolviert, folgte ein Paukenschlag: der Aquakubus! Ein sense-of-wonder-Objekt allererster Klasse, das mühelos den Atem rauben konnte. Sobald der Leser seinen Atem wiedergefunden hatte, drängten sich massiv Fragen auf. Ein Kubus von einer Lichtstunde Länge (¼ mehr als unser Sonnensystem bis zur Jupiterbahn), komplett mit Wasser gefüllt, in dem ganze Planeten existieren: Wo kommt das Wasser her? Die ungeheure Menge übersteigt die Gesamtmasse etlicher Sonnensysteme. Warum kollabiert der Kubus nicht zu einem schwarzen Loch? Wieso existiert in etwa eine Erdschwerkraft, immer gerade mit dem Vektor, den die Handlung braucht? Ganz zu schweigen von dem Problem, wie man das Ding auch noch raumschiffsartig bewegen kann.
Zuletzt geändert von Al Khidr am 04.09.2006, 02:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Welt ist schlecht 1

Beitragvon Al Khidr » 04.09.2006, 02:33

BE Teil 4

Weinland und Mitstreiter entzogen sich der Einsicht, dass SF-Leser gemeinhin solche Dinge beantwortet haben wollen.
"Stumm starrten sie auf den Bildschirm und ließen ihre Blicke unablässig über den gigantischen, mit Wasser gefüllten Würfel gleiten, der wie eine Provokation mitten im All trieb. Versteht mich, schien er zu fordern…"
(BE #6 von Claudia Kern & Geralt di Cordoba)
"…aber sie verstanden nichts…"
Später, auf intergalaktischen Flügen, erfuhr man, dass das Raumschiff SESHA/RUBIKON mittels Dunkler Energie angetrieben werde. Es dürfte durchaus eine Pioniertat sein, dieses bisher nur theoretisch postulierte Phänomen in der SF zu verwenden. Die Art der Verwendung sah dann leider so beiläufig und schlicht aus, dass sich dem Leser das Bild aufdrängte, die dunkle Energie würde mit Eimern aus dem Weltraum geschöpft und in den Tank gefüllt. Im folgenden Roman macht Marc Tannous daraus Schwarze Materie/Energie und setzt somit die Kirsche auf die Torte. Simsalabim!
Ein Kritiker im BE-Forum bekam von den Fans zu hören, "sie wollten nicht so viele langweilige physikalische Erklärungen wie bei einem gewissen PR lesen". Nun, die Bad-Earth-Einstellung, von einem Extrem ins andere zu fallen, hat sich offensichtlich nicht bewährt.

Das menschliche Element

Mittendrin die "kleine Ebene" der menschlichen Protagonisten. Weinland hat das ewig beliebte Muster des kleinen Grüppchens individualistischer Abenteurer in einem Wunderschiff gefällig aufgegriffen. Mit der SESHA/RUBIKON hat er ein Raumschiff entworfen, das richtig sexy, intelligent und gebildet ist, und auf die denkbar romantischste Weise durchs All streift, mit einem Antrieb, der bei Überlichtgeschwindigkeit ein kontinuierliches Gleiten durchs Sternenmeer erlaubt. Schöner kann man es sich nicht erträumen. In diesem Zusammenhang ist allerdings eine sehr eigenartige Entwicklung zu konstatieren:

Bad Earth-Handlung ab Nr.10 (September 2003):
Das in Raum und Zeit verschollene kleine Heldenteam, inklusive noch-nicht-Liebespaar in Beziehungsschwierigkeiten, stößt auf das Relikt einer uralten Zivilisation: ein Raumschiff mit der Form eines riesigen Rochens!
Der Hauptheld wird vom KI-Bordcomputer als Pilot anerkannt, aber es stellt sich bald heraus, dass diese KI eine eigene Persönlichkeit hat, und den Helden einige Schwierigkeiten bereitet. Außer dem Piloten werden die übrigen Mitreisenden offenbar sogar als an Bord unerwünscht betrachtet. Die Steuerung des Schiffs, einschließlich überlegener, vernichtender Waffensysteme, erfolgt durch geistige Verschmelzung mit dem Steuerungssystem. Anfangs hat der Pilot große Mühe, das Steuerungssystem zu bewältigen, weshalb das Rochenschiff zunächst lahm und ineffizient unterwegs ist.
Ein paar Abenteuer später wird ein Versteck mit einer ganzen Flotte solcher Rochenschiffe entdeckt.

Perry Rhodan-Handlung, Nr. 2228-2231 (April-Mai 2004):
Das in Raum und Zeit verschollene kleine Heldenteam, inklusive Liebespaar in Beziehungsschwierigkeiten, stößt auf das Relikt einer uralten Zivilisation: ein Raumschiff mit der Form eines riesigen Rochens!
Der Hauptheld wird vom KI-Bordcomputer als Pilot anerkannt, aber es stellt sich bald heraus, dass diese KI eine eigene Persönlichkeit hat, und den Helden einige Schwierigkeiten bereitet. Außer dem Piloten werden die übrigen Mitreisenden offenbar sogar als an Bord unerwünscht betrachtet. Die Steuerung des Schiffs, einschließlich überlegener, vernichtender Waffensysteme, erfolgt durch geistige Verschmelzung mit dem Steuerungssystem. Anfangs hat der Pilot große Mühe, das Steuerungssystem zu bewältigen, weshalb das Rochenschiff zunächst lahm und ineffizient unterwegs ist. Ein paar Abenteuer später wird ein Versteck mit einer ganzen Flotte solcher Rochenschiffe entdeckt.

Wie auch immer - dieses Konzept funktioniert.
Dabei konzipiert Weinland Charaktere, die durchweg ihre starken Macken, Eigenheiten und Nöte haben - oft innerlich Zerrissene, die mit drastischen existenziellen Konflikten und individuellen Leiden fertigwerden müssen. Weinland bekennt sich als Fan von William Voltz, und der Charakter dieser "Voltz-Figuren" ist unverkennbar.
Und dies führt genau in ein charakteristisches Problem von BAD EARTH, denn diese Konzepte hatten großes Potenzial, zeigten durchweg in einzelnen Situationen, dass sie Gelegenheit für raffinierte, bestechende Szenen, für große tragische Momente boten - und scheiterten am weitgehenden Unvermögen der beteiligten Autoren, dieses Potenzial zu verwirklichen. Das Muster "Weinland legt Faszination vor, und der folgende Autor plättet das" kehrt sich aber in einem Fall sogar um, als Alfred Bekker in Heft 21 das Potenzial des konditionierten Klons Scobee gut aufgriff, und Weinland selbst die Fortführung unter den Tisch fallen ließ. Auch Susan Schwartz gelang Ähnliches eindrucksvoll, in einem Roman, der auf der anderen Handlungsebene ein kapitales Ärgernis war.
Zuletzt geändert von Al Khidr am 04.09.2006, 02:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Welt ist schlecht 1

Beitragvon Al Khidr » 04.09.2006, 02:36

BE Teil 5 und Schluss Bild

Das menschliche Element (Fortsetzung)

Die immer neue Tendenz, den Feind ins Primitive abgleiten zu lassen, die von den Geheimdienstlern der USA über Alien-"Zufallsbekanntschaften" unterwegs bis zur tödlichen Nemesis der Foronen reicht, lässt den schwachen ersten Roman von Susan Schwartz (Nr.12) im Nachhinein als positiven Ausreißer wirken. Zugleich wurde das szenische Potential von extravaganten Schauplätzen wie dem Aquakubus praktisch nie richtig genutzt, mit Ausnahme des Gastauftritts von Claudia Kern.
Beides ist oft allerdings auch in "Perry Rhodan" zu erleiden. Aber um einen stabilen Leserstamm neben Rhodan zu gewinnen und zu behaupten, kann man sich die Schwächen, die PR durch pure Massenträgheit überlebt, nicht leisten.

Die Autoren

Manfred Weinland zeigte sich konsequent eine Klasse besser als alle seine Mitstreiter. In seinen Romanen findet sich eine Raffinesse in Struktur, Stil und Schilderungen, die niemand sonst aufbieten konnte. Aber immerhin ist es auch seine Welt, so dass er aus einem tiefen Brunnen schöpfen konnte. Das übrige Team:
Alte Routiniers, die nie in die erste Garde aufgestiegen sind - Alfred Bekker (mit einigen eleganten Leistungen), Konrad Schaef (der mit Heft 2 im Alleingang die Leserschaft halbiert zu haben scheint), W.K. Giesa.
Hoffnungsvolle Nachwuchskräfte, die sich bisher nicht als die großen Wunderkinder der deutschen Szene präsentieren konnten - "Shooting Star" Michael Marcus Thurner (im steten Wechsel von exzellent - Heft 14, 19, 24 - und schauderhaft daneben - Heft 11, 23), Marc Tannous (noch sichtlich am Lernen, wie man einen lesbaren SF-Heftroman ohne Unfall vollendet), Achim Mehnert, Marten Veit, Luc Bahl (in # 41 mit einer reizvollen Leistung, die Aufmerksamkeit verdient).
An etablierten, gefragten Könnern des Bastei-Stalls eine Claudia Kern, bei der der Leser weinen muss, dass sie nur einen halben Roman zur Serie beigetragen hat.
Dagegen kann man sich streiten, ob irgend jemand eine neue SF-Heftserie braucht, um noch mehr Susan-Schwartz- und Horst-Hoffmann-Romane zu lesen. Nicht jeder Perry-Rhodan-Name muss eine Empfehlung sein - ob Susan "ich bin im falschen Film" Schwartz, die zwischen Aquakuben und Rochenschiffen nur darauf lauert, wieder einmal Liebesmelodrame zwischen außerirdischen Froschwesen zu inszenieren, die sich eifrig küssen und herzen, sich dadurch aber nie, nie in SF verwandeln; oder Horst Hoffmann, dessen BAD-EARTH-Gastauftritt als einziger Heftroman im Web-Forumsthread "Die schlechtesten SF-Romane" genannt wurde.
Mit dieser Art von Investitionspolitik baut man nur schwer eine neue Serie im Kernschatten des Großen Bruders PR auf.

Abschliessendes

Bemerkenswert bleibt das Interesse von Bastei am Thema. Während sich Maddrax solide etabliert hat und zunehmend an SF-Elementen schnuppert, wurde mit Torn ein Horror-Science-Fantasy-Versuch schwer in den Sand gesetzt, mit BAD EARTH ein missglückter Versuch in Space Opera unternommen - und obwohl die mittlerweile lückenlos laufenden Atlan-Miniserien den Markt bedrängen, lässt Bastei auf BAD EARTH sofort die neue SF-Serie "Sternenfaust" folgen, die beim Vollenden dieser Zeilen Heft Nr.3 erreicht. [Mittlerweile überholt. Läuft „Sternenfaust“ eigentlich immer noch?]

Bad Earth lebt außerhalb von Bastei weiter. Im Zaubermond-Verlag wird die Fortsetzung der Serie als Hardcover erscheinen; für 2005 sind Band 1 und 3 von Manfred Weinland selbst und Band 2 von Susan Schwartz angekündigt.
Im HJB-Verlag erscheint weiter die Hardcover-Buchausgabe der bereits erschienenen Bad-Earth-Hefte.

P.S. Die Bad-Earth-Graphik: Candy Kay setzte im Computertitelbild neue Maßstäbe für gelungene bizarre Motive und exotische Ästhetik, nachdem sie sich entschließen konnte, die unausweichlich puppenhaft geratenen menschlichen Figuren auszusortieren. Sie soll laut Ankündigung weiter für die Hardcover arbeiten. Harry Messerschmitt hingegen setzte in den Innenillustrationen neue Maßstäbe der Unsäglichkeit, deren Anblick bleibende Schäden verursachen kann.


P.P.S. - In dem einzigen näheren Kommentar auf meinen Artikel im Shayol-Jahrbuch mokierte sich der Rezensent, ich sei offenbar einer jener „typischen Rhodan-Leser“, der keinerlei Romantik oder Erotik, nicht einmal Kussszenen, in seinem Heftroman ertragen kann (so verstehen jedenfalls ich und andere seine Worte). Bild

Deshalb nochmal eine ganz unmissverständliche Neuformulierung meiner Susan-Schwartz-Kritik:
Es gibt so etwas wie gelungenes Melodrama. (Und attraktive Kussszenen - selbst in neuer deutscher Rechtschreibung. Bild ) Es gibt auch so etwas wie passendes Melodrama. Und es gibt so etwas wie glaubwürdige Schilderungen von Aliens. Die fragliche Passage von Susan Schwartz ist weder das eine, noch das andere, noch das dritte. Sie ist aber typisch Susan Schwartz. Und ich bin glücklich, dass ich so was nie wieder lesen muss.
Zuletzt geändert von Al Khidr am 04.09.2006, 07:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Welt ist schlecht 1

Beitragvon Goettrik » 04.09.2006, 13:02

Al Khidr schrieb am 04.09.2006 02:36
... Das übrige Team:
Alte Routiniers, die nie in die erste Garde aufgestiegen sind - Alfred Bekker (mit einigen eleganten Leistungen), ...

..., lässt Bastei auf BAD EARTH sofort die neue SF-Serie "Sternenfaust" folgen, die beim Vollenden dieser Zeilen Heft Nr.3 erreicht. [Mittlerweile überholt. Läuft „Sternenfaust“ eigentlich immer noch?] ...



Alfred Bekker ist inzwischen zu einer Art Hauptautor von STERNENFAUST aufgestiegen. Das Team dieser Serie besteht ansonsten nur aus Neulingen, die alle so ihre Stärken und Schwächen haben.
Auffällig ist der starke Einfluß den STAR TREK und PERRY RHODAN anscheinend auf die Autoren der Serie haben. Als Inspiration für die Grundidee scheint allerdings Honor Harrington gedient zu haben. Das Endergebnis ist ähnlich bunt und ähnlich holperig zu lesen, wie die ersten Rhodan-Romane von Anfang der 60er Jahre.
Angesichts des Schicksals von Torn, Bad Earth, Vampire und SF:One war STERNENFAUST zudem nur als Serie mit etwa 30 Heften konzipiert worden und wurde dann überraschend um ein Jahr verlängert. Bis zum Überholen von Bad Earth fehlen der Sternenfaust Anfang September 2006 nur noch drei Hefte und es sieht so aus als könnte sie die erste Serie seit MADDRAX sein, die in die dritte Runde geht.

Dein Artikel über BAD EARHT liest sich gut und dem meisten stimme ich mal so spontan aus der Erinnerung heraus so zu. Ansonsten muß ich mir den Artikel erst noch durch den Kopf gehen lassen.
Goettrik
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