Ein wunderbarer Roman. Einige Kommentatoren finden den Tonfall von "Nesses Halo-Briefen" nervig - mir hat er viel Vergnügen bereitet, und vor allem hebt dieser Umgang mit der Figur den Text weit über den PR-Durchschnitt von Figurenschilderungen hinaus. Die Ich-Perspektive der Brief-Monologe ist schon ohne diesen Sprachstil äußerst erfrischend, und das ganze ergibt eine ebenso intensive wie durch den gewollt und gekonnt inkohärenten Erzählfluß vertrackte Schilderung.
Problematisch wird es da, wo Böhmert die Flapsigkeit in Sprache und Verhalten auf Rhodan und Rorkhete überträgt. Das paßt ja nicht wirklich. Aber auch das finde ich gar nicht so mißlungen. Zu der Figur Rorkhetes paßt es, daß er persönliche Veränderungen durchmacht. Er hat gerade lesen und schreiben gelernt, ist dadurch viel kommunikativer und weniger introvertiert geworden, und erprobt sich nun in Dingen wie Eloquenz und Lässigkeit. Paßt doch! Und Perry - eine konsistente, passende Charakterschilderung muß in seinem Fall vor allem eins sein: blutleer. Darauf kann ich verzichten. Da ist es mir lieber, wenn Böhmert auch ihn mal in einem Moment erwischt, wo er etwas aus sich herausgeht und lockerer agiert.
Auch bei Lyressea hat der Stammtisch inkonsistente Charakterisierung von Heft zu Heft moniert - und ich kann diese Kritik nicht teilen. Die "Spaltung" Lyresseas zwischen ihrer verletzlichen und pazifistischen normalen Persönlichkeit, und ihrem "Kampfmodus", den sie nicht unter Kontrolle hat, den sie fürchtet, und dem sie sich nur äußerst widerwillig ausliefert, paßt schon.
Was man daran allenfalls monieren kann ist, daß wir es hier offenbar mit einem Lieblingsmotiv Feldhoffs zu tun haben. Die Parallelen zu Trim Maraths Schwarzem Zwilling springen sofort ins Auge. Aber auch bei Figuren wie Vincent Garron mit seinem Dämon, der ihn zum Amoklauf treibt, und dem Tomopathen des Space Thrillers 1, "Grüße vom Sternenbiest", sehen wir ein ähnliches Bild.
Natürlich hat Böhmert es versäumt, Perry und Lyressea eine angemessene Sorge um die Stadt Kimte auf den Leib zu schreiben - es wirkt so, als ob sie es ohne viele Gedanken als fait accompli nehmen, daß Kimte wahrscheinlich draufgehen wird. Sicher, sie versuchen dann, die Explosion zu vermeiden, aber da fehlt dem Roman ganz entschieden was.
Titelbilder:
eine grandiose, irre Strecke von Dirk Schulz. Zwar einige blau-grün-Stichigkeit im Kolorit (die nur irritierend ins Auge fällt, wenn man alle vier Bilder nebeneinander sieht), aber so gut wie kein Anflug von comic-hafter Plakativität.
Nun gut, Tagg Kharzani auf 2248 macht eine Ausnahme, aber die dicke Schutzherrin hinter ihm ist - nun ja, *enorm*.