"bringt kaum voran, in obsidian 4 wenigstens Tamiljon eingeführt"?
Nun gut, für die Atlan-Handlung an sich gilt das vielleicht, aber das Auftauchen Tamiljons an sich war kein viel größeres Voranbringen als die Geschehnisse von Band 5. Immerhin ist Atlan nun von einem Steppenreiter-Planeten auf einen frühtechnischen Planeten gelangt. Und dabei schimmert immer stärker das "Spiegelphänomen" durch - klar ein kommender Kernaspekt der Miniserie. Und die parallelen Sardaengar-Szenen haben uns Knüller-Enthüllungen fett geliefert - IMHO schon wieder mehr und Konkreteres, als mir lieb war.
Generell bin ich über den Handlungsaufbau von Obsidian auch nicht ganz glücklich - aber doch in einer zu Centauri recht entgegengesetzten Weise. Hier zieht sich nun ein und dieselbe Irrfahrt in 80 Tagen um die Spiegelwelten von Roman zu Roman nahtlos weiter hin. Von zu Fuß zu Insektenreitern zu Dampfschiffen zur Eisenbahn zum Zeppelin… als nächstes müßte eine Fahrt im Fesselballon dran sein. Vielleicht ein Kutschen-Wettrennen? Dampfmobile? Chitty-Chitty-Bang-Bang?
Da hätte man sich weitaus phantastischere, spektakulärere Episoden für die Irrfahrt einfallen lassen können. Ich hatte im Hinterkopf Erinnerungen an Atlans Jugendabenteuer auf dem 30-Planeten-Wall, wo sie von *Silberkugeln* von Planet zu Planet gebracht wurden, und es gleich früh mit außerordentlich exotischen Figuren zu tun bekamen.
Steampunk hat ja seinen Reiz, aber man ist schon wieder mitten dabei, es zu übertreiben.
Zu Bernhard Kempens Eigenleistungen: die schnellen Wechsel der Handlungsebene boten natürlich ideale Gelegenheiten, den Roman öfter zu unterbrechen und erstmal wegzulegen. Andererseits weckten sie auch den Eindruck, daß in dem Heft unheimlich viel passiert. Wobei im Rückblick natürlich die Reaktion kommt: soviel war's ja nun nicht. ich hatte noch keine Gelegenheit, Bernhard zu fragen, ob er das gezielt so angestrebt hat, um aus einem Exposé, das nicht viel Handlungsfortschritt bot, mehr zu machen.
Die Szene zwischen Atlan und der Kellnerin kam mir auch wenig gelungen vor.
" "Hast du ein Problem, Atlan?" fragte sie mich am vierten Tag."
Da steckt eine Haltung von "wir sollten uns mal aussprechen" drin, auf die ich verzichten kann. Wahrlich keine knisternde oder sonst stimmungsvolle Szene.
Die durchgeschnittene Kehle war übel. Die Gruppe hat überhaupt keinerlei Rechtfertigung, sich mit Gewalttaten durchzusetzen. Da scheint der Autor einfach schon so die Bösewicht-Rolle der Perlenschleifer verinnerlicht zu haben, daß er seine Helden ganz selbstverständlich zu tödlicher Gewalt greifen läßt, ehe dafür irgendeine Rechtfertigung geschaffen worden ist.
Bei dem Zeppelin neige ich zu der Ansicht, daß da ausgedehntere atmosphärische Schilderungen wünschenswert gewesen wären - aber wie? Wer ist schon mal auf einem Zeppelin gefahren? Um das stimmungsvoll zu schildern, kann man kaum mehr machen, als von Zeitzeugen abzuschreiben. Ein Zeichner (Comic "Aldebaran" Band 4 von "Leo") hat es da einfacher.
Aber warum alle auf den morphogenetischen Feldern rumhacken, weiß ich wirklich nicht. Die sind offiziell fester Bestandteil des Perryversums. Und diese Spekulation Atlans ist ein passabler Weg, sich dem Geheimnis der Spiegelwelten anzunähern, das sich da zu enthüllen beginnt.
Zitat der Woche:
"Doch diese Blasen, die das wahre Leben waren, lebten, weil sie Leben gaben."
Ich brenne schon darauf, Bernhard zu fragen, ob er das ganz normal als passende Formulierung empfand, oder als bewußte sprachliche Verspieltheit eingestreut hat.
Ist ja schon fast Poesie.
Zuletzt geändert von Al Khidr am 14.07.2004, 01:51, insgesamt 1-mal geändert.