Re: Was lest Ihr so gerade?
von don redhorse » 08.07.2012, 08:11
Ach ja, on topic... Dazu mal ein bisschen Polemik:
Gerade wenn man in den Regalen im Buchhandel in den letzten Jahren wieder vermehrt Military-SF sieht, muss man sich fragen, ob da nicht wieder ein rückwärtsgerichteter Trend einsetzt. Andererseits hat die SF zu jedem Zeitpunkt immer auch die Gegenwart reflektiert und überzeichnet. Daher die krasse Schwarz-Weiß-Malerei in den 40ern und 50ern, New Wave und Dystopien in den 60ern, Cyberpunk in den 80ern. Heute spielt in der Realität wieder mehr von dem eine Rolle, was man mit dem 2. Weltkrieg überwunden glaubte: es gibt wieder eine un klare Trennung zwischen Ost und West, es werden Kultur-Konflikte propagiert, Ressourcenkriege in Aussicht gestellt (analog zum "Lebensraum im Osten"), religiöse Feindseligkeiten werden geradezu heraufbeschworen. Kein Wunder, das die moderne SF wieder zum alten Kriegsschauplatz eilt, den ultimativen Feind darstellt und die Lösung aller Probleme im Militarismus sieht: Raumflotten, Landetruppen, Superwaffen. Persönlicher Mut, Tapferkeit, Heroismus - das alles natürlich in idealistischer Weise übersteigert - sind wieder Tugenden, für die man zu sterben bereit sein soll. Nun, wenn man eine ganze Generation junger Leute in den Irak und nach Afghanistan schickt, wo sie sich zumindest seelisch zugrunderichten dürfen (wenn sie nicht sogar körperlich abgewrackt heimgeschickt werden), muss man sich nicht wundern, wenn die von den Jugendlichen konsumierte Literatur eben dies als erstrebenswert darstellt. Ergo schicken junge Autoren neue Soldatencharaktere wie "Honor Harrington" ins Feld und starten eine Dunkle" oder "Verlorene Flotte".
Wo sind in der SF heute eigentlich die ökologischen Themen geblieben? Wo steckt das Soziale? Warum liest man wieder ausführliche Gefechtssituationen, aber nichts über den Kampf gegen den Klimawandel (nicht, das ich glaube, ein solcher Kampf würde zu mehr als einem Pyrrhus-Sieg führen...)?
Die Plattitüden heutiger Autoren sind nahezu eins-zu-eins aus dem Golden Age übernommen, und kaum einer scheint es zu bemerken. Der Stil, in den alles verpackt wird, ist natürlich ein anderer - schneller, flüssiger, lesbarer, peppiger und poppiger (und damit auch pappiger, aber wie eine bittere Zuckerwatte) - doch die Kriegsmentalität dahinter ist so alteisern, das sie rosten müsste.
Insofern hat die Diskussion, die einst um "Der stählerne Traum" geführt wurde,wahrlich nichts an Sprengkraft verloren; im Gegenteil: das Buch hätte eine Neuausgabe verdient. Aber ich fürchte, das Buch würde heute völlig untergehen inmitten eines Gerangels um politisch korrekte Terminologie. Denn während die SF-Krieger des Golden Age zumindest kein Blatt vor den Mund nahmen und ihre knüppelharten Aussagen nicht in schönen Worten verbrämten (da waren die bösen Aliens eben noch die bösen Aliens, und nichts anderes als böse - allenfalls noch hässlich und schleimig), bemühen sich die Autoren heute um Formulierungen, an denen möglichst wenig Anstoß genommen wird.
Die alte SF war faschistoid, aber die moderne SF ist heuchlerisch. In beiden Fällen gilt: es gibt Ausnahmen. Aber die muss man erst mal finden...
Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet.
Roy Batty in Blade Runner